Moshé Feldenkrais

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Wer war Moshé Feldenkrais?

Moshé Feldenkrais (* 6. Mai 1904 in der heutigen Ukraine, † 1. Juli 1984 in Israel) berührt und verändert bis heute die Menschen durch seine Bewegungslehre, die nach ihm benannte Feldenkrais-Methode. Sie ist eine Lernmethode, die es ermöglicht, sich selbst in Bewegung besser kennenzulernen und so zu einer größeren Handlungsfreiheit zu finden. Für Moshé Feldenkrais waren Bewegung und Denken untrennbar miteinander verbunden: Wer neue Körperbewegungen lernt, lernt neues Denken – und umgekehrt.

Moshé Feldenkrais war Ingenieur, Physiker und Sportler. Vielleicht mag es auf den ersten Blick verwundern, dass Feldenkrais weder Arzt noch Neurologe war. Gleichzeitig wäre es wohl kaum einem Arzt oder Neurologen der damaligen Zeit möglich gewesen, im engen Gewand der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen eine ganzheitliche Methode wie die Feldenkrais-Methode zu erfinden. Zu dieser Ganzheitlichkeit kam Feldenkrais, indem er seine Leidenschaften miteinander verband: Physik, Mechanik, Elektronik und menschliche Bewegung.

© Michael Wolgensinger

In der heutigen Ukraine aufgewachsen, verließ Feldenkrais mit 14 Jahren seine Heimat Richtung Palästina. Dort lernte und unterrichtete er die Selbstverteidigungsmethode Jiu-Jitsu, um die jüdischen Siedlungseinheiten verteidigen zu können. Gleichzeitig widmete er sich schwer zu unterrichtenden Kindern als Privatlehrer und war bekannt für seine ungewöhnlichen Methoden. Vielleicht wurden in dieser Zeit die Grundsteine für seine Arbeit gelegt, vielleicht ist es auch Zufall, dass Feldenkrais sich in Palästina einerseits intensiv mit körperlichen Bewegungsabläufen beschäftigte und gleichzeitig mit der positiven Beeinflussung von Lebenswegen. Beides sind die Hauptthemen der später von ihm entwickelten Feldenkrais-Methode.

Zum Ingenieur- und Physik-Studium ging Feldenkrais nach Paris. Dort arbeitete er von 1933 bis 1940 als Nukleartechniker im Labor von Frédéric und Irène Joliot-Curie (Nobelpreis 1935 für Chemie). In Paris lernte Feldenkrais den Judo-Begründer Jigoro Kano kennen, ursprünglich selbst Jiu-Jitsu-Schüler. Feldenkrais gründete den ersten Judo-Club Frankreichs und erlangte als einer der ersten Europäer 1936 den „Schwarzen Gürtel“. Die Kampfsportart Judo arbeitet nach dem Prinzip „maximale Wirkung bei minimalem Aufwand“ – sicherlich nicht zufällig dasselbe Prinzip, das später auch für die Feldenkrais-Methode gelten wird. Die innere Mechanik der Dinge, die menschliche Bewegung – Feldenkrais war von beiden fasziniert. Anfang der 1920er- und 1930er-Jahre veröffentlichte Moshé Feldenkrais seine ersten drei Bücher, die sich Judo und Jiu-Jitsu widmeten („Jiu-Jitsu und Selbstverteidigung“, „Die Verteidigung des Schwachen gegen den Aggressor“, „ABC des Judo“). In seinen wissenschaftlichen Aufsätzen konzentrierte Moshé Feldenkrais sich auf Detailfragen des Messens von Quantität und Qualität. Auch das sind Fragen, die ihm aus dem Judo bekannt waren – und die bei seiner Bewegungslehre eine Rolle spielen werden.

Im schottischen Exil – Knieprobleme und wissenschaftliche Vorträge

Nach seiner Flucht vor der deutschen Besatzung lebte Moshé Feldenkrais ab 1940 in dem kleinen schottischen Ort Fairlie bei Glasgow (1940–1946). Die Briten hielten hier Wissenschaftler versteckt, deren Arbeiten und Forschungen sie für besonders wertvoll erachteten. In dieser Zeit machte Feldenkrais eine alte Knieverletzung zunehmend Probleme. Da der Wissenschaftler sich nicht operieren lassen wollte, die Ärzte aber keine andere Möglichkeit auf Besserung sahen, nahm er die Genesung selbst in die Hand. Er verband sein Forschungsdenken aus Physik, Mechanik, Elektronik und Bewegung – und beschäftigte sich mit funktionaler Anatomie: Wie funktioniert so ein Knie im Detail, welche Bewegungen führt es wann aus, welche weiteren Körperteile können hier mit reinspielen? Feldenkrais erkannte, dass auch seine eigenen Bewegungsmuster, seine eigene Art zu gehen, die Beschwerden verursachten. Wieso bewegt sich der Einzelne genau so, wie er sich bewegt? Welche Erfahrungen, Geisteshaltungen, Gedanken und auch körperlichen Besonderheiten stecken dahinter? Wenn der Einzelne seine Art sich zu bewegen verändert, wie wirkt sich das auf das Denken aus? Wenn er seine Geisteshaltung ändert, auf welche Art ändert sich dann eine Bewegung oder Körperhaltung? Moshé Feldenkrais stellte Fragen, gab sich Antworten – und heilte so nicht nur seine Knieprobleme selbst – er lernte auch, körperlich und geistig zu lernen.

Um sich die Zeit während des Exils zu vertreiben, hielten die Wissenschaftler einander Vorträge. Feldenkrais‘ Vorträge wurden 1949 als erstes Kapitel seines Buches „Body and Mature Behaviour“ veröffentlicht („Der Weg zum reifen Selbst: Phänomene menschlichen Verhaltens“). Mit diesem Buch versuchte er erstmals, seine Erfahrungen und Überlegungen zu einer Theorie zu verarbeiten.

© International Feldenkrais Federation Archive

Moshé Feldenkrais‘ Neuanfang in Israel

Nach Ende des Krieges schlug Feldenkrais das Angebot auf ein eigenes Institut in London aus. Es zog ihn 1949 in den neu gegründeten Staat Israel. Zunächst leitete er dort die Elektronikabteilung des Verteidigungsministeriums. Endlich dann, ab 1952, widmete er sich ausschließlich seiner eigenen Bewegungslehre und Lernmethode – in Arbeit, Praxis, Lehre und Forschung. In den folgenden Jahren und bis zu seinem Tod im Jahr 1984 veränderte und verbesserte er das Leben Tausender Menschen weltweit. Ob körperlich und geistig gehandicapt, ob Durchschnittsbürger mit Schulter-, Knie-, oder Rückenproblemen, ob Leistungssportler oder Musiker mit körperlichen Verschleißerscheinungen – Moshé Feldenkrais nahm sich allen an. Dem Gründer des israelischen Staates, David Ben-Gurion, brachte er sogar einen Kopfstand bei – das Schwarz-Weiß-Bild ging um die Welt.

Seine Methode unterrichtete Moshé Feldenkrais an der Universität von Tel Aviv, er hielt Vorträge in Europa und den USA und publizierte schließlich das erste Feldenkrais-Buch („Der aufrechte Gang“, heute „Bewusstheit durch Bewegung“, Frankfurt 1968). Er leitete drei Ausbildungen in der Feldenkrais-Methode: Ab 1968 bildet er seine Assistenten aus, von 1975–1977 eine ausgewählte Gruppe in San Francisco und ab 1980 eine Gruppe von 250 Studenten in Amherst, Massachusets.

1981 erlitt Moshé Feldenkrais einen Hirnschlag, von dem er sich nicht mehr erholte, und starb 1984 in Tel Aviv. Die Feldenkrais-Methode hat sich auch nach Feldenkrais‘ Tod beständig weiter entwickelt und beweist sich immer wieder selbst. Der renommierte Neurobiologie und Hirnforscher Gerald Hüther staunte im Jahr 2011 darüber, wie sehr Feldenkrais‘ Theorien und Erforschungen mit der heutigen Hirnforschung im Einklang stehen.

(Textquelle: FVD – Feldenkrais Verband Deutschland)